RIP Reader, bye Google

Am 13.3. hat Google angekündigt, den Reader einzustellen. Heise spricht von “zerstörtem Vertrauen“, woraufhin der ein oder andere Kommentar Naivität und/oder Weinerlichkeit unterstellt. Ich sehe das aber ganz genauso und möchte erklären:

Ich konsumiere im Netz, grob gesagt, drei Arten von Inhalten:

  1. Bestimmte Informationen, die ich (mangels brauchbarer Alternative über Googles Suchmaschine) ungezielt suche, beispielsweise Lösungen zu Coding-Problemen.
  2. Unbestimmte Informationen zu sehr bestimmten Themengebieten:
    1. Zu einigen Themengebieten gibt es bereits aggregierende Seiten: Spon oder Tagesschau.de für News, Facebook oder Twitter für’s Social Web, etc
    2. Zu allen anderen Gebieten nutze nutzte ich den Reader: Tech, Comics, Design, etc

Aus meiner Sicht hat Google am 13.3. angekündigt, mir den Zugang zu 1/3 meiner Netzinhalte zu kappen. Mit einer fadenscheinigen Begründung, wenn man sie denn überhaupt so nennen kann. Im Wesentlichen “weil es geht”.

Doch es gibt auch Stimmen, die dies positiv sehen. Und sie mehren sich. Der Grundtenor dabei: Irgendwo zwischen “Fuck Yourself” und “Yeah, die Chance für Alternativen!”. Wobei beides vermutlich auf’s selbe rauskommt.

Ich persönlich mag noch gar nicht abschätzen, was diese Entscheidung letztendlich bedeutet. Ich denke, auch bei Google wird man dies nicht können. Die Petition auf change.org verzeichnet 120.000 Unterschriften – in den ersten drei Tagen! Ich habe auch unterschrieben, aber halte es mit heise: Google kann mir zukünftig den Buckel runter rutschen. Die Nachricht vom Tod des Reader hat es bis in’s Fahrgastfernsehen des HVV gebracht, was mir sagt, dass Google entweder absolut unterschätzt hat, welche Bedeutung der Reader hatte – oder es war Google scheißegal. Beides untergräbt eben Vertrauen.

Es ist allerdings fast befreiend zu sehen, was in den letzten Tagen an Alternativen alleine zum Reader diskutiert wurde und wird: Feedly (basiert auf einem Browserplugin und ist mir zu “aufbereitet”), The Old Reader (schon vielversprechender, aber hoffnungslos überfordert mit der Masse an Umsteigern), fever (kostenpflichtig und selbstgehostet, trotzdem mein aktueller Favorit), …

Darüber hinaus sind mir einge Alternativen für Googles Kalender über den Weg gelaufen, allen voran sei das entsprechende Modul von ownCloud genannt. Es entstehen wieder Diskussionen über Alternativen zu GMail. Microsofts Online-Office ist eh eine Klasse besser als die Google Docs (schon, weil sie näher am “Original” sind). Mein Google+ Account habe ich schon vor Monaten gekündigt, es könnte auch schon in den Bereich eines Jahres oder mehr gehen. Die ersten wechseln von Chrome zurück zu Firefox. Usw usf.

Apropos Firefox: So eine Spannung habe ich zum letzten mal erlebt, als der Firefox die kritische Masse überschritten hat. Als die Leute gemerkt haben, dass sie nicht den Internet Explorer nutzen müssen. Das hat eine Entwicklung eingeleitet, die Microsoft doch ziemlich unter Druck gesetzt hat.

Schauen wir mal.

5 thoughts on “RIP Reader, bye Google

  1. Ich kann mit den Wutausbrüchen in Bezug auf die Einstellung des Services jetzt nicht unbedingt etwas anfangen. Wenn eine Firma einen Dienst anbietet, steht es ihr auch frei, diesen ohne Angabe von Gründen zu canceln. Aber ich bin dabei, daß es Scheiße ist, sich nach einem neuen Dienst umzusehen und sich darauf umzustellen. Und es untergräbt in der Tat das Vertrauen in alle Dienste der entsprechenden Firma. Ich bin mir unsicher, ob Google die Resonanz in der Form erwartet hat. Vermutlich sind die auch ziemlich überrascht. Kann es sein, daß die Einstellung des Dienstes auch mit dem LSR zu tun hat? Aber dann hätten sie das offensiver nach außen kommuniziert…

    Egal: Mein persönlicher Traum wäre ja ein eigener Root-Server incl. Email-Services, RSS, Calender, Blog, OpenSource-SocialNetwork-Software, eigenem Etherpad, etc.pp. – Allerdings braucht man da Zeit zur Einrichtung. 🙁 Und man muss konsequent updaten, ansonsten ist man ja ein Scheunentor für alle ScriptKiddies…

  2. Ich denke mir Folgendes: Der Reader war immer kostenlos. Google wird ihn aber kaum aus reiner Nächstenliebe betrieben haben. Klar ist es ihr Recht, ein Produkt einzustellen. Aber ich denke nicht, dass Google keinen Nutzen vom Reader hatte: Die Haupteinnahmequelle von Google ist Werbung. Werbung ist am Effektivsten, wenn man die Zielgruppe möglichst gut kennt. Es liegt also nahe, dass das mindestens *ein* Grund für den Reader war – wie für alle freien Dienste von Google. Trotzdem schließen sie ihn? Warum sollten sie das tun?

    Man darf nicht vergessen, dass der Reader mal “soziale” Funktionen hatte: Man konnte anderer Leute Empfehlungen abonnieren und selber Artikel empfehlen, sprich “liken”. Das haben sie deaktiviert, als G+ kam. Bzw. umgebaut, man konnte Artikel nur noch “+1″en, und das ging nur mit G+-Account. Der Grund liegt auf der Hand. Nun deaktivieren sie den Reader ganz und schmeißen gleichzeitig das Chrome-Plugin zum Abbonieren von Feeds nicht nur aus dem App-Store, sondern deaktivieren es komplett: http://heise.de/-1824218. Das Ganze offenbar, um die Leute zu G+ zu bewegen.

    Wenn die Telekom anfängt, den Traffic von, sagen wir, Facebook zu bevorzugen, dann ist das Geschrei nach Netzneutralität groß. Und das zu recht. Aber wenn Google sein Quasi-Monopol im RSS-Reader-Bereich ausnutzt, und mit seinem durchaus verbreiteten Browser unterstützt, um “sein Facebook” zu pushen!? Bestimmt würden sie in dem Bereich auch gerne in Monopolnähe kommen. Da ist meiner Meinung nach nicht nur fehlende Neutralität ein Grund für Wut, da sollte das Kartellamt den Laden zumachen. Mal davon abgesehen, dass G+ nach wie vor Klarnamenzwang hat, was auch nicht umumstritten ist. Und dafür kappen sie alle Anwendungen des offenen RSS. Deshalb die Wut, wegen des Schrittes weg vom offenen und anonymen Netz, hin zu G+

  3. Ein Nachtrag zu der Kartellgeschichte, das war IMHO nicht ganz klar. Ein Beispiel: Microsoft baut ein Betriebssystem und einen Browser. Das hat beides technisch erst mal nichts miteinander zu tun. Aber es ergibt zusammen ein sinnvolles Paket; der alte Witz, dass man mit dem IE 10 Firefox schneller als je zuvor runterladen kann, hat ja durchaus seine Berechtigung. Deshalb muss MS nun eine halbe Milliarde bezahlen, weil es die Browser anderer Leute nicht genug beworben hat. Was für ein Quatsch – aber halt: Google promoted G+ ganz oben in dieser schwarzen Leiste über ihrer Suchmaschine. Da sehe ich keinen Hinweis auf Konkurrenzprodukte!?

    Das an sich würde mich ja nicht mal stören, genauso wenig wie ein Windows ohne Werbung für drölf Browser mich bisher gstört hat. Aber um im Beispiel zu bleiben: Microsoft entfernt auch nicht Outlook Express, mit der Begründung, man könne mit dem IE ja das Webinterface des Mailproviders öffnen. Ich will den IE nicht benutzen, und schon gar nicht für Mails. Dass Outlook Express kostenlos war, ist kein Argument, nicht sauer zu sein, und dass ich mir jetzt ja Thunderbird installieren kann, nervt trotzdem.

    Der Vergleich hinkt ein wenig, aber nur ein wenig. Warum darf ich RSS “zugunsten” von G+ nicht mehr nutzen, wo ich mein G+-Konto schon lange bewusst gekündigt habe 🙁 So komme ich sicher nicht darauf zurück.

    So, jetzt zum Selberhosten 🙂 Fever kann ich nur empfehlen. Für den Calendar teste ich gerade http://baikal-server.com/ und meine Bookmarks werde ich (mangels auffindbarer Alternativen) wohl via http://sebsauvage.net/wiki/doku.php?id=php%3Ashaarli hosten. Meine Mails vertraue ich aber lieber einem Profi an, denn da teile ich Deine Bedenken 🙂

  4. Danke für das Teilen Deiner Gedanken. 🙂 Klingt durchaus logisch und nach einem nicht unwahrscheinlichen Szenario, daß Google durch die Deaktivierung tatsächlich andere Produkte, von denen es sich auf lange Sicht mehr verspricht, mehr pushen will. Und wenn sie den Reader tatsächlich als eine Art von interner Konkurrenz angesehen haben bzw. sich von der Deaktivierung eine Stärkung von G+ versprechen…

    Das ist natürlich dann eine Harakiri-Aktion, wenn sie diese Politik fahren. Sie kassieren jetzt ja erstmal eine Weile stark Negativpresse… vermutlich baut Google in dem Fall drauf, daß die in x Wochen vorbei ist. Trotzdem enttäuschen sie eine Menge Kunden, die Google den Rücken kehren… naja, mal sehen.

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